Digitaler Finanzplatz

Daniel Kapffer, Vorstandsmitglied und Chief Operating Officer, schreibt in seinem Gastbeitrag in der FAZ (16. März 2021) über den Finanzplatz Frankfurt und die Anforderungen an die digitale Finanzbranche.

Frankfurt tritt im Wettbewerb um den bedeutendsten Finanzplatz längst nicht mehr nur gegen die Wallstreet, die Londoner City oder die Börsenplätze in Tokio, Schanghai und Hong Kong an. Die Mainmetropole muss sich auch in der digitalen Welt behaupten. Deshalb wird in Frankfurt emsig an Ideen gearbeitet, die neue digitale Standards setzen.
10 Terabit. Das entspricht 2,2 Millionen Videos in HD-Qualität. Nirgendwo auf der Welt werden in kürzerer Zeit mehr Daten verarbeitet als im Datenknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt. Die Fläche von Rechenzentren in Frankfurt beträgt 600.000 m2 – so viel wie 90 große Fußballstadien.
 
Die Infrastruktur für den digitalen Finanzplatz ist vorhanden. Und das ist gut so, denn die Digitalisierungswelle ist voll in der Finanzbranche angekommen. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden sich viele Lebensbereiche, und folglich auch die Welt der Finanzdienstleister, grundlegend verändern. Doch Frankfurt hat gute Chancen, im Finanzplatz der Zukunft weiter mitzuspielen. Der Umbruch bringt völlig neue Kundenbedürfnisse, Herausforderungen und einen anderen Wettbewerb mit sich. Frankfurt hat gute Chancen, all diese Veränderungen maßgeblich mitzugestalten. Der Standort und die Erfahrung in Sachen Finanzthemen sind vorhanden. Fast unbemerkt entwickelte sich die Stadt in den vergangenen Jahren zu einem begehrten Arbeitsplatz für Digitalisierungsexperten und IT-Profis.
Aber braucht die digitale Welt überhaupt noch einen statischen Finanzplatz, gegossen in Beton, Stahl und Glas? Würde konsequent weitergedacht nicht ein Markenlabel „Finanzplatz Frankfurt“ ausreichen?
 

Finanzplatz: Ein digitales Netzwerk

Amazon, Google und Ebay zeigen eindrücklich, dass der Wettbewerb auf Plattformen und nicht mehr an physischen Plätzen stattfindet. Und Unternehmen bauen die Plattformen dort auf, wo sie die passende Infrastruktur finden. Für die Finanzwelt und damit auch für den Finanzstandort Frankfurt ist aber nicht nur die Infrastruktur entscheidend. Technologie, Knowhow, Attraktivität für Talente und rechtliche Rahmenbedingungen sind wichtige Standortfaktoren. Und auch diese sind geprägt vom Digitalisierungswandel. Mit Blick auf die Technologie ist für unser Haus die Cloud-Technologie ein wesentlicher Faktor. Sie ermöglicht nicht nur eine effizientere, sondern auch eine flexiblere IT. Die Nähe zur sparkasseneigenen Finanzinformatik ist dazu ein eindeutiger Vorteil des hiesigen Standorts. Es ist die Kombination aus Nähe und neuester Cloud-Technologie. Die Server mit unseren wichtigsten Daten stehen in Deutschland, quasi in direkter Nachbarschaft. Natürlich ist sichergestellt, dass die höchsten Sicherheitsstandards angewandt werden.
Sekunden statt Wochen

Ein Thema im Fokus der Überlegungen ist dabei die Blockchain, eine dezentrale Buchführung, die Transaktionen transparent speichert. Auf Basis dieser Technik haben die in Frankfurt ansässigen Finanzinstitute DekaBank, DZ Bank, Helaba und DWP die Plattform Finledger entwickelt. Über sie können alle Schritte eines Schuldscheins digital abgewickelt werden. Das Potenzial für die Vereinfachung und die Beschleunigung der anfallenden Prozesse ist enorm: Die manuelle Datenerfassung, die Erstellung und Umschreibung der Urkunde und schließlich die Aufbewahrung etwa im Tresor des Gläubigers waren zeitaufwändige manuelle Tätigkeiten und von umfassender papiergebundener Dokumentation begleitet. Mit Finledger ist es möglich, den Abwicklungsprozess deutlich zu verschlanken und zu beschleunigen. Daten werden über die Schnittstellen automatisch geladen, die Geschäftsbestätigung sowie die Urkundenerstellung erfolgen mit der e-Unterschrift. Auch der Austausch von Dokumenten findet elektronisch statt. Die einzelnen Schritte sind so in wenigen Sekunden möglich, zuvor waren es Tage oder gar Wochen. Und der Schuldschein ist nur ein möglicher Anwendungsfall für die Technologie.

Daniel Kapffer

Vorstandsmitglied und COO der Deka

Prototyp für die Branche

Auch der Wertpapierhandel war bislang langwierig und papierintensiv. Bei der Abwicklung müssen Transaktionen zahlreiche Hürden nehmen bis das Wertpapier endlich im Depot verbucht ist. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Eine digitale Lösung, die ebenso sicher und rechtskonform ist, beinhaltet das Digital Collateral Protocol (DCP). Das Modell greift auf die bestehenden Verfahren der Depotbanken untereinander zurück und verlagert die Abwicklungsaktivitäten auf eine gemeinsame Blockchain-Ebene. Hier haben die Teilnehmer eine einheitliche Sicht auf die Bestände und Transaktionen. Komplizierte, zeitintensive und fehleranfällige Abgleiche entfallen so zum großen Teil.
Zunächst werden ausschließlich klassische Wertpapiere über die neue Plattform abgewickelt, letztlich bietet sie aber auch die Voraussetzung für die Abwicklung digitaler Assets. Denn langfristig werden vermehrt auch digitale Assets verwahrt und mit anderen Verwahrstellen abgewickelt werden. Je stärker digitale Assets an Bedeutung gewinnen, desto wichtiger wird ein gemeinsames und standardisiertes Ökosystem für den Erfolg aller Finanzmarktakteure.
Finledger und DCP sind nur zwei Beispiele, wie bislang Papier-basierte und komplexe Prozesse am Finanzplatz Frankfurt in die digitale Welt transformiert werden.

Knowhow muss gepflegt und Attraktivität für Talente erhalten werden

Das Knowhow spielt als Faktor für einen Finanzstandort eine entscheidende Rolle. Ohne das Wissen, wie eine technische Infrastruktur funktioniert, ohne das Verständnis für die Zusammenhänge in der Finanzbranche und ohne die Einordung des rechtlichen Rahmens wird eine Weiterentwicklung nicht funktionieren. In Frankfurt sind alle diese Disziplinen verfügbar. Während Banker und Juristen schon immer Teil der Belegschaft eines Finanzinstituts waren, entdecken immer mehr Informatik-Absolventen die Banken als künftige und attraktive Arbeitgeber für sich. Über ein Drittel der Jobs in Banken haben heute einen IT-Bezug und diese Zahl ist in den letzten drei Jahren um fast 50 Prozent gestiegen. Sie sind heute ganz selbstverständlich ein wichtiger Teil des Digitalisierungs- und Wertschöpfungsprozesses und damit wettbewerbsentscheidend. Die kluge Vernetzung der Disziplinen „Finanzwissen“, „IT“ und „Recht“ macht den Unterschied.

Dynamik bestätigt die Attraktivität des Standorts

Das weltweite Funding für Fin-Techs hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht. Davon profitiert auch Frankfurt. In 115 Fin-Techs in Frankfurt entwickeln und experimentieren Entwickler, Finanzexperten, Geistes- und Sozialwissenschaftler an neuen Ideen. Kaum ein Finanzinstitut, das keine eigene Ideenschmiede hat. Von Frankfurt gehen auch Initiativen für den Finanzsektor von europäischer Bedeutung aus. Die EZB prüft die Einführung des digitalen Euro, der für eine sichere Abwicklung in der digitalen Welt entscheidend sein wird. Und die hiesigen Banken haben einen wesentlichen Anteil an der European Payments Initiative, die ein international wettbewerbsfähiges Zahlungsnetzwerk einführen soll.

Gesetzgeber schafft mit eWpG rechtlichen Rahmen

Bei allen neuen Ideen und Entwicklungen muss der rechtliche Rahmen stimmen. Das mag auf den ersten Blick schwerfällig erscheinen. Aber gerade ein verbindliches rechtliches Koordinationssystem ist eine entscheidende Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung des hiesigen Finanzplatzes. Mit der Einführung eines Gesetzes für elektronischen Wertpapieren (eWpG-E) werden weitere digitale und gleichzeitig rechtssichere Transaktionen möglich gemacht. Bislang ist noch immer eine physische Globalurkunde erforderlich und das Wertpapier ist rechtlich gesehen eine Sache. Aber der Wandel – hin zum elektronischen Wertpapier – ist greifbar.
 
All das passiert im Hintergrund. Die Kunden erhalten die Antworten auf dem Handy, am Bildschirm oder direkt beim Berater. Die Verbindung aus Nähe zu den Kunden, die Kenntnis über deren Bedürfnisse und das Knowhow digitale Lösungen für Kunden zu entwickeln, das macht den Finanzplatz Frankfurt – in der digitalen und in der realen Welt – aus.