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16.09.2021

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6 Min.

Die großen Aufgaben nach der Ära Merkel

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Selten war eine Bundestagswahl so offen: Wer Deutschland künftig führen wird, ist auch nach dem Urnengang nicht völlig sicher. Klar ist aber, wie die wichtigsten Handlungsfelder der neuen Regierung aussehen – und was die Parteien vorhaben. Das hat auch Folgen für Anlegerinnen und Anleger.

Politische Nummer eins in Deutschland, das bedeutet für Benedikt Berg: Angela Merkel. Und sonst gar nichts. „Ich kenne ja eigentlich niemand anderen an der Spitze Deutschlands“, sagt der Auszubildende zum Fachinformatiker bei der Deka. 2005, als die Kanzlerin ihr Amt antrat, kam Berg gerade aufs Gymnasium. Finanzkrise, Ende der Wehrpflicht, Ausstieg aus der Kernenergie, Flüchtlingskrise, Ehe für alle, Corona – viele Ereignisse und Grundsatzentscheidungen, die dieses Land verändert haben, sind mit den 16 Jahren der Ära Merkel verbunden. „Ich hätte mir gut vorstellen können, dass sie auch noch ein bisschen weitermacht“, sagt der heute 28-jährige Berg. Lesen Sie das Interview mit Benedikt Berg hier

Ein bisschen weiter? Das kann sogar passieren. Dazu später mehr. Eigentlich jedoch sollte es am 27. September einen neuen Kanzler oder eine neue Kanzlerin in spe geben. Denn am Tag zuvor entscheiden die Deutschen in der Bundestagswahl über die Nachfolge Merkels. Dabei sind sie sich unsicherer denn je. Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner wundert das nicht. Denn einerseits spielen „Emotionen eine deutlich größere Rolle für die Wahlentscheidung als die wirklichen Argumente“. Andererseits aber sei der Dreikampf zwischen Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und der Grünen Annalena Baerbock lange „ziemlich emotionsfrei“ gewesen. Auf jeden Fall kann es knapp werden, die letzten Umfragen sehen immer noch ein offenes Rennen.


Vier Themenbereiche stehen im Fokus

Welche Herausforderungen die neue Regierung angehen muss, ist dabei unabhängig vom Ergebnis klar. „Unsere Analysen zeigen, dass für starke wirtschaftliche Rahmenbedingungen vor allem in vier Bereichen massiv investiert und oft auch reformiert werden muss“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka. Diese heißen ­Demografiesicherheit, digitale Infrastruktur, Energiekosten und Transformationsbelastungen. Katers Team hat die wichtigsten Rahmenbedingungen der Zukunftsfähigkeit Deutschlands analysiert – und daraus wesentliche Handlungsfelder abgeleitet. Bei der Demografiesicherheit geht es besonders darum, die Altersversorgung auch für künftige Generationen sicher und auskömmlich zu erhalten. Auf immer mehr Rentner kommen schon jetzt immer weniger Einzahler, sodass die Notwendigkeit steigt, privat vorzusorgen – etwa mit Sparplänen am Kapitalmarkt. SPD, CDU/CSU und FDP haben daher angekündigt, die private Vorsorge besser zu fördern. Eine längere Lebensarbeitszeit wollen Grüne, Linke oder SPD zwar nicht, dafür aber die Pflichtmitgliedschaft von Selbstständigen und Beamten in der gesetzlichen Rente. „Insbesondere in der Rentenpolitik wird wohl bald die Einsicht reifen, dass es mit den bisherigen Maßnahmen nicht mehr geht und dass größere Schritte gemacht werden müssen“, resümiert Kater.

Erheblichen Investitionsbedarf gibt es auch bei der digitalen Infrastruktur, so die Deka-Experten. Gerade außerhalb der Metropolen ist das Mobilfunknetz immer noch unzureichend – selbst Albanien hat eine bessere Netzabdeckung als Deutschland. Und bei den superschnellen 5G-Netzen, die etwa die Industrie für das Internet der Dinge braucht, hinkt Deutschland auch anderen Industrienationen hinterher. Hier haben alle Parteien Investitionen geplant. Union und FDP wollen Schwerpunkte auf die industrielle Vernetzung setzen, was auch Investoren etwa in deutschen Unternehmen nützen würde. SPD und Grüne setzen eher auf allgemeinen Netzausbau in der Fläche – gut für den Telekommunikationssektor.

Die Achillesferse des Standorts Deutschland sind die hohen Energiekosten. Im Zuge der Energiewende mit Ausstieg aus Kernkraft und Kohle und zusätzlicher CO2-Bepreisung dürften sie eher noch steigen. SPD und Union wollen hier durch Streichen verteuernder Faktoren wie der EEG-Umlage gegensteuern, die Grünen Teile der Steuereinnahmen wieder an die Menschen zurückgeben.

Zukunftsaufgaben: Energie ist Thema Nummer eins

Zukunftsaufgaben: Energie ist Thema Nummer eins

Grafik: KD1

Auch beim vierten Top-Thema, den Transformationsbelas­tungen für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft, sind laut den Autoren der Analyse enorme Anstrengungen nötig. Schließlich soll Deutschland schon 2045 klimaneutral wirtschaften. Vor allem Union und FDP wollen hier gezielt Unternehmen entlasten, damit diese mehr in den eigenen Umbau investieren können. „Ziel ist, die Steuerlast für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, auf 25 Prozent zu deckeln“, so die Planung. Dies soll für Einzelunternehmer, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften gelten – und sich über erhöhte Steuer­einnahmen durch größeres Wachstum refinanzieren. SPD und Grüne wollen dagegen eher private Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten und Dienstleistungen fördern.


Mehr Reformeifer gefragt

Die Konkurrenz schläft nicht – und lockt auch internationale Geldgeber weg aus Deutschland, wenn anderswo Staaten bessere Rahmenbedingungen schaffen. Das muss die nächste Regierung be­unruhigen – im Gegensatz zu Anlegenden, die ihr Vermögen über Fonds breit streuen können. „Die Themen der Nachhaltigen Transformation der Wirtschaft, der Künstlichen Intelligenz und der Anwendung von Blockchain-Technik werden unabhängig vom Wahlausgang große Chancen für die Anleger eröffnen, denn sie sind globale Themen“, so Kater – und mahnt an, dass Deutschland hier zu langsam ist. „Die Zeit der Umsetzung hat begonnen.“

Der Chefvolkswirt sieht die Republik nach der Ära Merkel zwar weiter in guter Position bei traditionellen Sektoren der Güterproduktion wie Chemie, Auto- oder Maschinenbau. „Das reicht aber nicht mehr. Deutschland muss mehr tun bei Innovationen“, fordert Kater. Vor allem müsse es besser gelingen, neue Unternehmen, etwa die Digitalwirtschaft, im eigenen Land zu halten: durch bessere Finanzierungsmöglichkeiten und weniger Regulierung.


Höhere Steuern sind eher unwahrscheinlich

Außer im Fall einer Rot-Grün-Rot-Regierung dürfte es indes an der Steuerfront überschaubar bleiben: Nur bei diesem Dreierbündnis würde es wohl zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer und dem Anheben des Spitzensteuersatzes kommen. „Der Spitzensteuersatz soll später greifen und um drei Prozentpunkte steigen für diejenigen, die ein höheres Einkommen haben“, fordert zwar SPD-Kandidat Scholz. Bei einer Beteiligung von Union oder FDP dürfte das aber wohl eher auf sich warten lassen.

„In der Steuerpolitik ist mit Ausnahme der Kapitalertragsteuer in den letzten 16 Jahren kaum etwas geschehen“, so die Deka-Analyse. Deutschland bleibt bei den Unternehmenssteuern im Vergleich der Industrieländer mit einer effektiven Belastung von 28,9 Prozent im letzten Drittel; das Paradies für kostenbewusste Unternehmer liegt mit 8,9 Prozent in Bulgarien. Bei der Einkommensteuer gibt es schon lange eine Diskussion um eine Entlastung mittlerer Einkommen. Die Teil-Abschaffung des Solidaritätszuschlags hat zumindest in diese Richtung gewirkt. Mit solch kleineren Schritten dürfte es weitergehen; ruhiges Fahrwasser für Anlegerinnen und Anleger, die in Fonds investiert sind.

Kater merkt an, dass sich die Wahlprogramme weder um größeren wirtschaftlichen Reformeifer bemühten, noch seien bis auf wenige Ausnahmen die Unterschiede zwischen den Parteien sehr groß. 2021 stehe daher eher eine „Bewahrungswahl“ an – eine Botschaft, die etwa auch Vizekanzler Scholz aussendet. „Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte sollten sich deswegen in engen Grenzen halten, unabhängig vom Ausgang“, so Kater.

In den letzten Tagen haben vor allem Laschet, Baerbock und Lindner noch einmal versucht, den Wahlkampf mit kraftvollen Angriffen aufeinander und auf den eher zurückhaltenden Kandidaten Scholz kontroverser zu gestalten. Der Begriff des Lagerwahlkampfs links (SPD, Grüne, Linke) gegen rechts (Union und FDP) der Mitte ist wieder in aller Munde. Allerdings koalieren in den Ländern in­zwischen alle miteinander. In Thüringen wird sogar ein linker Ministerpräsident von der CDU toleriert, in Baden-Württemberg arbeitet ein grün-schwarzes, in Hessen ähnlich geräuschlos ein schwarz-grünes Bündnis. Rot-Grün-Gelb, Schwarz-Grün-Gelb, Rot-Grün-Rot? Fast nichts ist unmöglich – bis auf Bündnisse mit der AfD.

Experten erwarten denn auch, dass nach dem 26. September der große Poker losgehen könnte – am wahrscheinlichsten um ein Dreierbündnis unter Führung von SPD oder Union. Dieses Spiel könnte dauern. Wie bereits 2017 zeigt sich dabei gerade die FDP offen für ein Zusammengehen mit Schwarz-Grün, Schwarz-Rot und Rot-Grün. „Unser Ziel ist jedenfalls, dafür zu sorgen, dass es die Freien Demokraten für eine Regierungsbildung aus der Mitte braucht“, so FDP-Chef Lindner. Und auch die Grünen sind koalitionstechnisch trotz Lieblingspartner SPD flexibel.

Höchst flexibel zeigen sich auch die Börsen – ein klares Signal für alle, die ihr Geld dort anlegen. „Die Auswirkungen von Wahlentscheidungen auf die Finanzmärkte werden allgemein stark überschätzt”, so Kater. Weder in Deutschland noch in den USA sind in den letzten Jahrzehnten starke Ausschläge an den Aktienmärkten im Umfeld der Wahl zu beobachten gewesen. Die erste rot-grüne Regierung hat dem Dax sogar das beste Quartal nach einem Regierungswechsel beschert. Kurz vor Weihnachten 1998 stand der Dax fast 12 Prozent höher als am Wahltag.

Die einzige größere Kurs-Turbulenz könnte es zwischenzeitlich geben, falls die Verhältnisse am 27. September knifflig werden. Etwa, wenn Grüne, SPD und Union sehr nah beieinander­liegen. Es könnte dann noch lange ungewiss bleiben, wer mit welcher Koalition Regierungschef wird. Und Börsen mögen keine politischen Hängepartien, so Kater: „Das ist tatsächlich wohl ein größerer Stolperstein für die Börse, dass sie über eine lange Regierungsbildung ein wenig die Geduld verliert.“

Das wäre aber eine Chance auf Einstiegskurse, denn die nächste Regierung wird – auch wenn es dauern kann – in jedem Fall kommen. Nach der Bundestagswahl 2017 hat die Regierungsbildung fast ein halbes Jahr gedauert. Und damals gab es nur zwei realistische Konstellationen. 2021 könnten es fünf sein.


Frohe Weihnachten – mit Angela Merkel?

Können sich die Möchtegern-Koalitionäre nicht so bald einigen, hat Angela Merkel sogar noch die Aussicht, den Amtsrekord von Helmut Kohl zu überbieten: Der bekleidete von 1982 bis 1998 das wichtigste Amt Deutschlands. Bleibt Merkel bis zum 17. Dezember 2021 im Kanzleramt, übernimmt sie diese Spitzenposition. Vielleicht geht Deutschland dann ja sogar mit seiner ewigen Kanzlerin ins neue Jahr. Nicht nur für Deka-Azubi Benedikt Berg wäre das wohl eine ganz anheimelnde Vorstellung.

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