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24.10.2021

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6 Min.

Fertig machen zur Wende

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Der Klimawandel und konkrete staatliche und wirtschaftliche Pläne verändern nachhaltig unsere Energieversorgung. Das hat auch Bedeutung für Anlegerinnen und Anleger und deren Vermögensbildung.

Die linksrheinische Autofahrt von Köln ins benachbarte Düsseldorf bietet zur abendlichen Stunde beim Blick gen Westen ein mitunter spektakuläres Panorama. Vor der untergehenden Sonne baut die Phalanx der drei Kraftwerke, die die Kohle aus dem direkt angrenzenden Braunkohlerevier verstromen, eine imposante Kulisse am Horizont auf. Gleich rechts daneben ragen die ersten Windräder des Windparks Garzweiler empor, der sich Richtung Norden erstreckt. Ein Bild mit Symbolcharakter: Auf der einen Seite die im wahrsten Sinne des Wortes schmutzige Variante, Energie zu erzeugen mit täglich anfallenden Tonnen an Staub, Ruß und vor allem klimaschädliches CO2. Auf der anderen Seite der moderne Gegenentwurf, aus erneuerbarer Windkraft umweltfreundlich Strom zu produzieren.

Dass dieses Bild zum Ende dieses Jahrzehnts noch so zu sehen sein wird, ist zunehmend unwahrscheinlich. Der Druck auf die kommende Bundesregierung steigt, den bereits beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung von 2038 auf das Jahr 2030 vorzuziehen. In einer Anfang Oktober veröffentlichten Studie kommen Wissenschaftler zahlreicher renommierter Forschungsinstitute zum Schluss: Will Deutschland seine ambitionierten Klimaziele erreichen, muss der Ausstieg aus der Kohle früher als geplant kommen und der Ausbau beim Ökostrom deutlich schneller erfolgen. „Die Klimaschutzziele für 2030 und 2045 sind extrem herausfordernd und können nur mit massiven Investitionen, zusätzlichen politischen Maßnahmen und Infrastrukturaufbau in allen Sektoren erreicht werden“, schreiben die Autoren der Studie.

Langer Weg bis zum Ende der Kohle

Bereits Ende vergangenen Jahres zeigte eine andere Untersuchung im Auftrag der Agora Energiewende, dass die Kohleverstromung auch wirtschaftlich zunehmend unrentabel wird. Wenn die Europäische Union (EU) im Zuge ihres Green Deals ab 2030 den CO2-Preis nach oben schraubt, werden sich die Kosten für Strom aus der besonders klimaschädlichen Braunkohle verdoppeln. Beim Einsatz von Steinkohle wird Strom um 50 Prozent teurer. Kommt tatsächlich in knapp zehn Jahren ein CO2-Preis von 100 Euro, wie es derzeit diskutiert wird, dürfte sich ein vorzeitiger Kohleausstieg damit von alleine regeln.

Doch nicht nur Wissenschaftler, auch die deutsche Wirtschaft fordert mehr Tempo bei der Energiewende. Zu Beginn der vertieften Sondierungsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP appellierten 69 deutsche Konzerne an die Bundesregierung in spe, den massiven Ausbau von Wind- und Solarparks massiv voranzutreiben. Die Unterzeichner, zu denen unter anderem der Versicherungsriese Allianz, die Drogeriekette Rossmann und die Versorger EnBW und Eon gehören, fordern, dass bis 2030 mindestens 70 Prozent des steigenden deutschen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien zu decken sind. Bisher sind es weniger als 50 Prozent. Die Unternehmen handeln dabei nicht altruistisch. Sie wollen vielmehr verlässliche Rahmenbedingungen haben, wie die Politik Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad bis 2045 führen will. Daran richten sie dann ihre Strategien aus. Viele erhoffen sich auch neue Geschäfte beim Umbau der Wirtschaft. 

Die Umstellung der Energieproduktion hat nicht nur Auswirkungen auf die großen Versorger. Immer strengere Klimaregeln treffen nahezu jede Branche – von Stahl- über Maschinen- und Automobilbau bis hin zu Touristik, Handel, Verkehrsinfrastruktur und Wohnungswirtschaft. Es wird noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis genug Versorgungskapazitäten aus erneuerbaren Energien bereitstehen, um damit den Strombedarf in Deutschland vollständig zu decken. „Ein direktes Abschalten der Kohlekraftwerke, um das CO2 schnell zu senken, wäre technisch und wahrscheinlich auch juristisch möglich. Aber dann müsste die Frage beantwortet werden, wie man die Kohleverstromung ad hoc ersetzt“, sagt Michael Schneider, Fondsmanager bei der Deka. „Das müsste Hand in Hand gehen mit einem zügigen Ausbau einer modernen Strominfrastruktur.“ Die Strategie dafür steht noch nicht.

Verstärkter Einsatz von Gas wäre eine Übergangslösung. „Doch wer soll in neue Gaskraftwerke und die notwendige Versorgungsinfrastruktur investieren, wenn in einigen Jahren der komplette Ausstieg aus der fossilen Energie ansteht?“, so Schneider. Zudem besteht die Gefahr, dass Deutschland „schmutzigen“ Strom aus Nachbarländern importiert, um Versorgungsengpässe im Inland zu überbrücken. Problematisch für die Klimastrategie einer neuen Bundesregierung.

Allein mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien ist es außerdem nicht getan. Die Unternehmen sind gefordert, ihre Produktions- und Logistikprozesse, mitunter sogar ihr gesamtes Geschäftsmodell umzubauen, um die Wende hin zu einem ressourcenschonenden und nachhaltig emissionsfreien Wirtschaften zu schaffen. Firmen, die zurückhängen oder erst gar keine Anstrengungen machen mitzuziehen, riskieren nach Einschätzung von Klimaexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, über kurz oder lang ihre Existenz. 

Auch deshalb, weil die Investoren „schmutzigen“ Unternehmen zunehmend den Geldhahn zudrehen werden. „Wer sich als Investor entgegen der Klimaziele in Unternehmen engagiert, die fossile Brennstoffe fördern oder verarbeiten oder die weiter hohe CO2-Emissionen produzieren, setzt sich prinzipiell auch erheblichen Reputationsrisiken aus“, sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance bei der Deka. „Auch die ökonomischen Risiken eines solchen Engagements steigen tendenziell. Denn im Zuge der globalen Energiewende wächst die Gefahr, dass Kohlereserven an Wert verlieren, was auch Konsequenzen für ihre wirtschaftliche Situation hat.“ Sinkt der Wert der Kohle, sinkt also auch der Wert des Unternehmens, das sie hortet.

Energieverbrauch in Deutschland

Grafik: KD1

Immer mehr Banken, Versicherer und Vermögensverwalter ziehen sich bereits heute zum Beispiel aus Kohleunternehmen zurück. „Die Deka hat für ihre aktiv gemanagten Fonds das potenzielle Investmentuniversum an Unternehmen mit Bezug zur Kohleförderung und -verarbeitung seit Februar 2020 stark eingeschränkt und entsprechende Investitionen reduziert“, erläutert Speich.

Private Anleger sind damit auf Dauer gut beraten, ihr Depot nach möglichen Verlierern der Energiewende abzuklopfen und potenzielle Klimarisiken zu identifizieren. Auf der anderen Seite sollten sie ihren Blick für die Chancen schärfen, die der anstehende Umbau der Wirtschaft für viele Unternehmen bietet. „Die Digitalisierung von Prozessen in der Industrie, aber auch die Dezentralisierung der Energieversorgung bis auf die Ebene des einzelnen Haushalts durch Wärmepumpen, Energiespeicher und Photovoltaik bietet insbesondere im Bereich von Einfamilienhäusern vergleichsweise großes CO2-Einsparpotenzial“, sagt Klaus-Heiner Röhl, Ökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Die Energieinfrastruktur in vielen westlichen Ländern ist überaltert und muss erneuert werden.

Markus Schneider, Fondsmanager bei der Deka

Auch Deka-Fondsmanager Schneider sieht beim Thema Energieversorgung Potenzial. „Fast alle großen europäischen Versorger wie etwa Eon und RWE verfolgen eine 3-D-Politik: Dekarbonisierung, Dezentralisierung, Digitalisierung. Sie sind der Schlüssel für die erfolgreiche Energiewende – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und sich Konzerne wie Eon und RWE auf ihre Kernkompetenz fokussieren, bieten sie gute Investmentchancen“, so der Anlageexperte. „Die Energieinfrastruktur in vielen westlichen Ländern ist überaltert und muss erneuert werden. Damit besteht ein sichtbares strukturelles Wachstumspotenzial.“

Für den Fondsmanager ergeben sich durch den Umbau der Energieversorgung vielfältige Anlagemöglichkeiten. „Es gibt bestehende Unternehmen, die sich ‚vom Saulus zum Paulus‘ wandeln, aber auch neue Geschäftsmodelle von Unternehmen, die darauf ausgerichtet sind, Energie einzusparen oder zum Beispiel den Umbau auf ressourcenschonende Prozesse planen.“

Globale Hürden für den Stromhandel

Automobilhersteller Audi zum Beispiel hat angekündigt, von 2026 an nur noch Fahrzeuge mit Elektromotor herzustellen. Mercedes will ab 2030 nachziehen. Die LKW-Tochter von VW, Traton, arbeitet am Einsatz der Brennstoffzelle in Nutzfahrzeugen. Der Technologievorstand von Daimler Truck, Andreas Gorbach, sieht indes zunächst kein Potenzial für alternative nachhaltige Antriebe in den eigenen Fahrzeugen. Der Wirkungsgrad der Batterie sei zwar weit höher als jener der Brennstoffzelle, ließ er in einem Interview wissen, das treffe aber auch auf den Diesel im Vergleich zum Benzinmotor zu. Letzterer sei trotzdem weltweit der primäre Antrieb in der Fahrzeugindustrie. „Das liegt an der Verfügbarkeit und den weltweiten Kraftstoffpreisen“, sagte Gorbach. „Strom ist auf lokaler Ebene im Vorteil, im globalen Maßstab aber nicht verteilbar.“

Andere Unternehmen gehen die Energiewende smart an, so wie etwa Autobidder. Das Unternehmen bietet unabhängigen Stromerzeugern, -versorgern, aber auch Investoren die Möglichkeit, zum Beispiel Stromspeicheranlagen eigenständig zu monetarisieren. Dafür hat Autobidder eine Online-Plattform aufgebaut, auf dem professionelle, aber auch private Akteure Strom einschließlich der notwendigen Systemdienste und Kapazitäten handeln können.

Anlegende sollten an Depot-Check denken

„Einen etwas anderen Ansatz fährt Enel X“, sagt Schneider. „Die Firma bietet etwa für Elektroautos ein komplettes Sortiment an intelligenter Ladeinfrastruktur für private Haushalte, Unternehmen und Kommunen an. Damit ist eine zeitliche Steuerung von Ladevorgängen möglich bis hin zu einem automatischem Last- und Flottenmanagement. Das ist mit dem Umstieg auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge und dem damit verbundenen Bedarf an Ladestruktur allein schon in Deutschland ein Riesenmarkt.“ Die aktuelle Lieferkrise könnte sich kurzfristig allerdings als Hemmschuh erweisen. Nach Einschätzung von IW-Chef-Ökonom Michael Grömling würden die brüchigen Lieferketten die Investitionsbereitschaft in der Weltwirtschaft hemmen und damit zur möglichen Konjunkturbremse im kommenden Jahr werden.

Langfristig jedoch wird das nichts daran ändern, dass das Bild auf der abendlichen Autofahrt entlang des rheinischen Braunkohlereviers ein anderes sein wird. Dort, wo heute riesige Bagger nach Kohle graben, werden wahrscheinlich schon bald neue Windparks entstehen. Das optische Spektakel zum Sonnenuntergang wird dadurch nicht weniger reizvoll – nur ist es eben CO2-neutral.

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