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US-Gesetze fördern klimapolitische Wende
Die US-Wirtschaft funktioniert und das liegt wesentlich an den Investitionspaketen, die Joe Biden auf den Weg gebracht hat. Doch es gibt Risiken, meint Johannes Thimm von der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Herr Thimm, unser Bild von den USA ist etwas durcheinander: ein Zinsschritt nach dem anderen und verheerende Staatsschulden auf der einen Seite, prosperierende Tech-Konzerne und eine entschlossene Standortpolitik auf der anderen. Können Sie das sortieren?
Wirtschaftlich geht es den USA im Moment ziemlich gut, besonders wenn ich mir das vor dem Hintergrund der allgemeinen Weltlage anschaue. Die USA haben ihre Inflation inzwischen auf gut drei Prozent gedrückt. Im Gegensatz zur Europäischen Union haben sie nahezu Vollbeschäftigung und Wachstum.
Ist das Joe Bidens Werk?
Präsident Biden ist es gelungen, in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit eine ziemlich erfolgreiche Politik zu machen. Er hat drei große Gesetzespakete verabschiedet. Den Infrastructure Investment and Jobs Act, der im Prinzip eine Billion Dollar für Maßnahmen zur Modernisierung der Infrastruktur zur Verfügung stellt. Damit werden Straßen, Brücken, Elektrizitätsnetze und Internet ausgebaut, Ladesäulen für E-Autos und der öffentliche Verkehr. Paket Nummer 2 ist der Chips Act, wo es um Subventionen für die Halbleiterindustrie geht. Und Paket 3 ist der Inflation Reduction Act, der auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtet ist.
Sind das nicht auch gigantische Verschuldungsprogramme?
Erst mal sind das gigantische Pakete, die der Wirtschaft Schwung verleihen. Aber es ist natürlich richtig: Auf der anderen Seite explodieren die Schulden, das Haushaltsdefizit wächst kräftig.
Was bedeutet dies für die USA?
Darüber streiten die Ökonomen. Im Unterschied zu den letzten Jahren steigen aktuell die Zinsen, was die Aufnahme von Krediten teurer macht. Die längerfristigen Herausforderungen für die Haushaltspolitik sind aber eher die sozialstaatlichen Maßnahmen, insbesondere das Rentensystem und die staatlichen Krankenkassen für Rentner. Diese Versicherungssysteme sind im Moment nicht ausreichend finanziert. Da steigen die Kosten immer weiter und verschlingen einen großen Teil des Haushalts. Da braucht es eine Reform der Finanzierung, für die aber die politischen Aussichten schlecht sind.
Die USA werden durch ein Zwei-Parteien-System geprägt. Koalitionen gibt es nicht, sondern klare Mehrheiten. Ist das ein politischer Vorteil, um Reformen durchzusetzen?
Nein, das sehe ich genau umgekehrt. Die USA haben ein präsidiales System, in dem der Präsident aber immer auf den Kongress angewiesen ist. Im deutschen parlamentarischen System hat dagegen der Kanzler eine eigene Mehrheit, wenn er erst mal eine Koalition geschmiedet hat. Die drei Gesetze, die ich eben genannt habe, wurden alle in den ersten beiden Jahren von Bidens Regierungszeit verabschiedet, als die Demokraten noch eine Mehrheit auch im Kongress hatten.
Das ist vorbei. Erwarten Sie jetzt noch große Würfe von der US-Politik?
Der Rest seiner ersten Legislaturperiode wird für den Präsidenten deutlich schwieriger, was umfangreiche Gesetzespakete angeht. Es gibt aber immer noch die Chance, dass auch in diesem stark polarisierten Umfeld einige Maßnahmen eine überparteiliche Mehrheit finden. Das Infrastrukturgesetz kommt ja zum Beispiel allen US-Staaten zugute, egal wer dort regiert. Die Administration hat allerdings auch so genug zu tun. Schon die drei beschlossenen Gesetzespakete sind wahnsinnig komplex und müssen erst mal umgesetzt werden.
Sind diese Gesetze eigentlich geeignet, um das Thema Nachhaltigkeit in den USA zu befördern?
Besonders die finanziellen Anreize im Inflation Reduction Act haben das Potenzial, eine klimapolitische Wende einzuleiten, insbesondere in der Verkehrspolitik und bei der Energieerzeugung. Bisher ist der private Konsum in den USA konstant höher als in Europa, was gut für das Wirtschaftswachstum, aber nicht unbedingt für die Nachhaltigkeit ist.
Hat die Biden-Regierung durch ihre Subventionspakete einen internationalen Subventionswettlauf angefacht, sodass andere Länder und andere Organisationen nachziehen müssen?
Ich weiß nicht, ob es ein Wettlauf ist. Wir hören allerdings von einigen europäischen Firmen, dass sie jetzt planen, Fabriken in den USA zu eröffnen. Das reicht von Solarherstellern über Wasserstoffproduzenten bis zur Batterie- und Autoindustrie. In der EU wird sicherlich auch über Subventionen nachgedacht. Aber ich glaube, erst mal muss man als großen Trend festhalten, dass die staatliche Industriepolitik ein Comeback erlebt. Und zwar in den USA massiv und bei uns auch. Der neoliberale Konsens, wo man seit den 80er-Jahren im Prinzip alles dem Markt überlassen wollte und auf Deregulierung gesetzt hat, geht zu Ende. Es wird jetzt wieder aktiv versucht, von staatlicher Seite Industriepolitik aus sozial-, umwelt- und sicherheitspolitischen Erwägungen zu machen. Wir haben gerade das schönste Beispiel in Deutschland erlebt, als der taiwanische Konzern TSMC ankündigte, bei Dresden eine Chipfabrik zu bauen und sich über satte Subventionen freuen kann.
Glauben sie an die Rückkehr von Donald Trump?
Ich halte das für möglich, wenn auch nicht für sehr wahrscheinlich. Aber das ist schon beunruhigend genug. Im Moment sieht es so aus, als werde Trump wieder der Kandidat der Republikaner. Etwa die Hälfte der republikanischen Wähler, die in den Vorwahlen abstimmen werden, bevorzugen Trump. Es ist natürlich noch eine Weile hin, bis im Januar die ersten Vorwahlen stattfinden, aber im Moment ist nicht so richtig erkennbar, was sich daran ändern sollte. Bis Januar werden keine der Gerichtsverfahren, die gerade gegen Trump laufen, abgeschlossen sein. Und die Tatsache, dass Rechtsverfahren eingeleitet worden sind, schadet Trump unter seinen eigenen Anhängern nicht. Wenn nichts Ungewöhnliches passiert, halte ich es aber trotzdem für wahrscheinlicher, dass Joe Biden ein zweites Mal Donald Trump schlägt.
Was macht Biden wirtschaftspolitisch anders als Trump?
Bezogen auf die amerikanische Wirtschafts- und Sozialpolitik hat Trump nur ein Einkommenssteuersenkungspaket verabschiedet, sonst gab es praktisch nichts Konkretes. Biden hat neben seinen schon erwähnten Reformen noch viele weitere Maßnahmen durchgesetzt: von der Einführung einer Mindeststeuer auf Unternehmen bis zur Senkung von Kosten für Medikamente. Außenwirtschaftlich hat Trump die Abkehr vom Freihandel und die offene Konfrontation mit China eingeleitet. Diese Ausrichtung hat Biden beibehalten. Aber Trump war sehr erratisch, hat Zölle verhängt, ohne die Konsequenzen zu durchdenken und beispielsweise auch verbündeten Demokratien in Europa und Asien geschadet. Die Biden-Administration agiert sehr viel überlegter und strategischer. Und sie unterscheidet deutlicher zwischen Verbündeten und Rivalen. Dennoch ist auch bei Biden eine gewisse „America First“-Ausrichtung zu erkennen, selbst wenn er das nicht so nennt.
Wird denn die USA weiter die Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg unterstützen?
Der innenpolitische Druck auf Biden steigt und es wird für die politische Elite schwieriger, die Unterstützung aufrechtzuerhalten. Es gibt einen Flügel der Republikaner, der sich offen gegen Hilfen für die Ukraine ausspricht. Auch Donald Trump gehört dazu. Die Kritiker machen in der republikanischen Partei ungefähr die Hälfte aus. Aber bisher hält die Koalition aus Demokraten und traditionellen Republikanern, die eine weitere Unterstützung befürworten.
Wirtschaftlich profitieren die USA aber auch vom Krieg?
Weltweit steigen die Rüstungsausgaben, davon profitieren natürlich auch die amerikanischen Unternehmen. Das gleiche gilt für die Energiekonzerne, für die Gasförderer, die von steigenden Preisen profitieren und davon, dass Europa und vor allem Deutschland jetzt ihr teures Flüssiggas kauft. Auf der anderen Seite haben die USA der Ukraine bislang mehr als 100 Milliarden US-Dollar an militärischer, wirtschaftlicher und humanitärer Hilfe bereitgestellt.
Abseits des Krieges sind US-Konzerne der globale Taktgeber bei der Digitalisierung bis hin zur künstlichen Intelligenz, während wir in Deutschland zunehmend das Gefühl haben, hintanzustehen. Woher kommt die Innovationskraft der Tech-Konzerne in den USA?
Es gibt verschiedene Faktoren, die dazu beitragen. Zum einen haben die USA einige der besten Universitäten und diese sind auch für Kooperationen mit dem Privatsektor sehr aufgeschlossen. Wenn ich ins Silicon Valley schaue, ist vor allem Stanford ein echter Innovations-Hub und Geburtsstätte für viele entscheidende technologische Entwicklungen. Dann haben wir einen Kapitalmarkt, der viel größere Risikofinanzierungen bereitstellt. Es gibt Ankerinvestoren, die bereit sind, über Jahre hinweg Unternehmen zu finanzieren, die eigentlich keine Profite machen. Schließlich haben wir einen Staat, der weniger technikskeptisch ist und weniger schnell regulierend eingreift. Gesamtgesellschaftlich herrscht ein größerer Technikoptimismus. Das alles trägt zur Innovationskraft bei.
Foto: Stiftung Wissenschaft und Politik
Dr. Johannes Thimm ist Stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Seine Schwerpunkte sind die innenpolitischen Bedingungen der US-Außenpolitik sowie das Verhältnis der USA zu internationalen Organisationen und Völkerrecht. 2009 hat er an der Freien Universität Berlin promoviert.
Davon könnten wir uns eine Scheibe abschneiden?
Das Ganze hat natürlich auch Kehrseiten. Ich bin der Meinung, dass technischer Fortschritt reguliert werden muss, ob beim Datenschutz oder zur Vorbeugung vor den Gefahren der künstlichen Intelligenz. Ich sehe es auch als Problem an, dass Elon Musk 10.000 Satelliten in den niedrigen Orbit der Erde schießt, um sein Starlink-Netzwerk zum Laufen zu bringen, ohne irgendjemanden zu fragen. Das betrifft eigentlich die gesamte Menschheit. Es geht um die Nutzung von nicht reguliertem, aber prinzipiell öffentlichem Raum, den es auf der Erde natürlich nicht mehr gibt, wo für alles Genehmigungen und Lizenzen notwendig sind.
Kann China die USA in Sachen Innovationskraft einholen – oder überholen?
Die USA begreifen China zunehmend als Bedrohung und gestalten ihre Politik gegenüber China entsprechend neu. Trump hat Handelskriege gegen China angefangen und vor allem über Zölle versucht, die heimische Wirtschaft zu stärken und chinesische Einfuhren zu verteuern. Biden versucht, den Vorsprung der US-Konzerne im Bereich der Hochtechnologie zu wahren. Dazu setzt die US-Regierung zunehmend Mittel ein, die China im Hochtechnologie-Bereich daran hindern, sich in vollem Umfang zu entwickeln. Das wird über Export- und Investitionskontrollen für besondere Spitzentechnologie geregelt.
Warum?
Hintergrund ist, dass China seine Interessen immer aggressiver durchsetzt und sich zu einem strategischen Rivalen entwickelt, der in seiner Nachbarschaft andere Länder bedroht. Insbesondere die Möglichkeit, dass China versuchen könnte, seinen erklärten Anspruch auf Taiwan mit Gewalt durchzusetzen, bereitet Sorge. Der Volksrepublik gelang ihr Aufstieg auch durch die Adaption amerikanischer oder westlicher Technologie, die sie nicht immer nur durch lautere Mittel erworben hat. Stichwörter sind Industriespionage und Raub geistigen Eigentums. Dazu kommen Vorschriften in China, wie die, dass Joint Ventures lange Pflicht waren. Also dass jede ausländische Firma, die in China investieren und die Produktion dort ansiedeln will, sich mit einer chinesischen Firma zusammentun und damit auch ihre Innovationen und ihre Industriegeheimnisse teilen muss. Die offizielle Begründung für den China-Kurs der USA lautet, dass China nicht zwischen dem Privatsektor und dem Staat und damit dem Militär trennt und dass damit jede Technik unweigerlich bei Staat und Militär landet.
Wird sich der Handelskonflikt also weiter verschärfen?
Es gibt jetzt Beschränkungen für den Export von bestimmten Halbleitern, die wiederum gebraucht werden, um künstliche Intelligenz voranzubringen. Den Bereich also, den derzeit alle hypen. Das ist eine Zäsur in der amerikanischen Politik, weil Washington zum ersten Mal gesagt hat, ihr dürft eine bestimmte Technik nicht haben. Das führt zu einer Eskalation der Spannungen zwischen den USA und China. Denn China kann nicht akzeptieren, dass es in seiner Entwicklung behindert wird und sieht es auch nicht als legitim an, dass die USA versuchen, auf diesem Weg ihre Vorherrschaft zu sichern.
Und Europa?
Die USA versuchen immer, ihre Alliierten in Europa mit einzuspannen. Auch für Europa ist das autoritäre China ein Rivale, dennoch ist ein vollständiger Bruch mit China nicht in Europas Interesse, da es noch stärker als die USA auf chinesische Importe und Absatzmärkte angewiesen ist. Da die eigenen Interessen zu wahren und eine immer weitere Eskalation der amerikanisch-chinesischen Beziehungen zu verhindern, bleibt ein schwieriger Balanceakt.
Titelfoto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Eric Gay
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