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24.04.2023

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5 Min.

Mehr Tempo beim Wasserstoff

Text:

Wie weit die Wasserstoff-Infrastruktur vorangeschritten ist , was er von Gasheizungen hält und warum auch Wasserstoff aus Australien nützlich sein können, erklärt Jörg Bergmann, Mitglied des Nationalen Wasserstoffrats und Chef des Fernleitungsnetzbetreibers Open Grid Europa.

Den Nationalen Wasserstoffrat gibt es seit bald drei Jahren. Was hat er bisher erreicht?

Zunächst einmal war es ein wichtiges Signal, den Nationalen Wasserstoffrat überhaupt ins Leben zu rufen. Der Rat fokussiert die Expertise von Unternehmen, Wissenschaft und NGOs – und das über die Gesamtheit der Prozesse hinweg.

Wie kann es gelingen, eine flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff zu erreichen?

Was wir für den Anschub der Transportinfrastruktur brauchen, ist Geschwindigkeit. Nach dem für die Energiewende verlorenen Krisenjahr 2022 gilt es in den nächsten Monaten, die entsprechenden Weichen zu stellen. Die flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff kann nur mit einer Transportinfrastruktur funktionieren, die der Produktion und dem Verbrauch von Wasserstoff immer einen Schritt voraus ist. Denn ohne Infrastruktur kommt der Wasserstoff nicht dorthin, wo er benötigt wird.

Was benötigt Deutschland für eine solche Infrastruktur?

Drei Dinge: erstens den Aufbau eines Wasserstoff-Leitungs-Netzes, mit dem noch 2023 begonnen wird. Ziel ist ein Wasserstoffnetz, das in ganz Europa bis zum Jahr 2040 eine Länge von rund 53.000 Kilometern erreicht. Auch danach soll das Netz weiter ausgebaut werden. Der aktuelle Stand verbindet 32 Fernleitungsnetzbetreiber und 25 europäische Länder.

Sind das dann alles alte Gasleitungen?

Etwa zwei Drittel des geplanten Wasserstoffnetzes werden aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen. Das restliche Drittel sind neue Anschlussleitungen für künftige Wasserstoffabnehmer in Ländern mit derzeit kleinen Gasnetzen, aber voraussichtlich hohem Wasserstoffbedarf und -angebot.

Deutschland baut eine gigantische Flüssiggas-Infrastruktur. Kann diese auch für Wasserstoff genutzt werden?

Mit den Fernleitungen, die im Zuge des neuen Wilhelmshavener Flüssiggasterminal gebaut wurden, ist dies möglich. Wir können diese Leitungen also mit sehr geringem Aufwand auf den Transport von Wasserstoff umstellen. Das geht innerhalb von kürzester Zeit und zu sehr geringen Kosten. Damit haben wir sichergestellt, dass die Anbindung dieser Terminals in der Zukunft funktioniert.

Leitungen sind eine Voraussetzung. Aber Sie sprechen von drei Dingen, die nötig sind. Was braucht es also noch für eine funktionierende Wasserstoffinfrastruktur?

Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen, der die Planungs- und Genehmigungsverfahren strafft und damit einen schnellen Aufbau dieses Netzes ermöglicht. Und wir benötigen ein Instrument, mit dem sichergestellt wird, dass die für den Ausbau notwendigen Investitionen in ein Wasserstoffnetz wieder verdient werden können. Das kann ähnlich wie eine Hermes-Bürgschaft funktionieren. 

Stichwort internationale Partnerschaften: Mit Australien gibt es ein Abkommen über die Lieferung von grünem Wasserstoff. Ist der rundum nachhaltig, wenn er mit dem Schiff um die ganze Welt transportiert werden muss?

Wenn der Wasserstoff grün erzeugt wurde, dann ist er grün. Da gibt es keinen Zweifel. Die Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs ist wiederum eine andere Frage, der sich die Politik auch widmet. Gerade Wasserstoff bietet im Schiffsverkehr sehr gute Möglichkeiten für einen klimaneutralen Transport. Aber nur, weil dieser noch nicht grün ist, sollte man die Lösung nicht verwerfen. Windräder werden auch noch mit Diesel-Lkw an ihren Standort gefahren.

Bis 2050 soll die Umstellung auf grünen Wasserstoff gelungen sein. Ist die Frist nicht etwas wenig ambitioniert?

Wir orientieren uns an den Zielen der Bundesregierung und die lauten klar, dass die Klimaneutralität bis 2045 erreicht sein muss und damit auch die Umstellung von Erdgas hin zu erneuerbaren und klimaneutralen Gasen. Man muss, glaube ich, auch bei der Zielstellung 2045 nach den verschiedenen Sektoren unterscheiden. Für die Industrie ist eine solche Umstellung sicher kapitalintensiv und mit organisatorischem Aufwand verbunden, aber in weiten Teilen schneller machbar. 

Für die Privatverbraucher wird es schwieriger?

Im Bereich der Wärme sieht das tatsächlich schon anders aus. Da geht es schließlich um die mehr als 20 Millionen Einzelhaushalte, die heute zum Beispiel mit Erdgas heizen und mittelfristig auf einen erneuerbaren Energieträger umrüsten müssen. Natürlich gibt es hier eine klare Perspektive für Wasserstoff, aber eine Umstellung von Millionen Endgeräten auf Wasserstoff benötigt einfach Zeit. 

Welche Rolle spielen nicht grüne Wasserstoffarten?

Wir sind als Transportunternehmen bei Open Grid Europe grundsätzlich farbenblind. Das bedeutet, wir transportieren jede Art von Wasserstoff unabhängig von seiner Farbe – also seiner Erzeugungsart. Für uns ist klar, dass Wasserstoff langfristig zum überwiegenden Teil grün sein wird. Genauso klar ist aber auch, dass wir die Klimaneutralität bis 2045 nur schaffen, wenn wir zu Anfang auch blauen Wasserstoff nutzen.

Also solchen, der mit fossiler Energie hergestellt wird.

Ja. Denn nur so werden ausreichende Mengen verfügbar sein, um den Bedarf in den kommenden Jahren zu decken.

Wie gelingt es, die heimische Industrie in diese Pläne zu integrieren? Welche Rahmenbedingungen müssen für die Unternehmen geschaffen werden?

Wichtig ist, dass wir in Deutschland technologieneutral agieren. Das bedeutet, dass wir alle technologischen Lösungen nutzen, die CO2-Emissionen vermeiden helfen. Denn die Verringerung des CO2-Ausstoßes zu möglichst geringen Kosten ist doch unser Ziel, nicht das Durchsetzen bestimmter Technologien. Insofern müssen wir vor allem auch der heimischen Industrie die Perspektive bieten, zu möglichst geringen Kosten ihren Treibhausgasausstoß zu verringern. Dann wird Deutschland auch künftig für die Industrie ein attraktiver Standort bleiben. 

Die Bundesregierung setzt stark auf Strom als Energiequelle, der aus regenerativen Energien erzeugt wird. Gerät Wasserstoff dabei aus dem Blick?

Noch einmal: Das Ziel muss es sein, den CO2-Ausstoß zu möglichst geringen Kosten zu senken und gleichzeitig ein hohes Maß an Versorgungssicherheit sicherzustellen. Hierfür müssen alle Energieträger, die dazu einen Beitrag leisten können, sich dem Wettbewerb stellen dürfen. Wasserstoff ist dabei hervorragend geeignet, weil er in großen Mengen transportiert und gespeichert werden kann. Außerdem haben wir mit 550.000 Kilometern Gasnetzen eine riesige Infrastruktur, die wir mit vergleichsweise geringem Aufwand für Wasserstoff nutzen können. Wasserstoff hat so viele Vorteile und wird perspektivisch so günstig sein, dass man um den Energieträger nicht herumkommen wird – in der Indus­trie, bei der Mobilität und im Wärmemarkt.

Was sagen Sie zur Diskussion um ein Gasheizungsverbot?

Ich betrachte die Diskussion differenziert. Gasheizungen sollen laut des in Umlauf befindlichen Entwurfs des Gebäudeenergiegesetzes nicht verboten werden, sie müssen nur bald mit einem gewissen Anteil erneuerbarer Gase betrieben werden. Diese Entscheidung halte ich für richtig, denn wir müssen den fossilen Energieträger Erdgas durch klimaneutrale Gase ersetzen. 

Aber jetzt baut sich doch niemand mehr eine Gasheizung ein in der Hoffnung, die dann irgendwann mit Wasserstoff betreiben zu können.

Wichtig ist, dass wir für die Wärmewende einen belastbaren und umsetzbaren Plan zur Veränderung entwickeln und verabschieden. Im Entwurf für das neue Gebäudeenergiegesetz wird neben einer stärkeren Elektrifizierung des Wärmesektors auch erneuerbaren und klimaneutralen Gasen Raum gegeben. Die Wärmewende wird alle Optionen benötigen. Daher dürfen „Elektronen“ und „Moleküle“ nicht durch Detailregelungen gegeneinander ausgespielt werden. 

Sie meinen Wärmepumpen gegen Wasserstoffheizungen?

Ja. Das darf nicht passieren. Entsprechend muss noch an den Übergangsfristen gefeilt werden. Meine Erwartung ist, dass der Bundestag hier noch Einfluss nehmen wird, den Übergang auf klimaneutrale Gase so zu gestalten, dass er sich auch stemmen lässt.

Zur Person

Dr. Jörg Bergmann ist Sprecher der Geschäftsführung der Open Grid Europe GmbH. OGE gehört zu den führenden europäischen Fernleitungsnetzbetreibern und ist Vorreiter beim Thema Wasserstoff. Darüber hinaus engagiert sich der promovierte Wirtschaftswissenschaftler in energiewirtschaftlichen Verbänden. Im Nationalen Wasserstoffrat leitet er die Arbeitsgruppe „Transport, Infrastruktur, Speicher, Wärme“.

Foto: Open Grid Europe (OGE) | oge.net

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