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24.01.2022

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6 Min.

Auf dem Weg ins neue Normal

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Obwohl im dritten Jahr der Pandemie die Omikron-Variante für rekordhohe Infektionszahlen sorgt, halten Ökonomen neue Lockdowns außer in China für unwahrscheinlich. Zu einem Bremsklotz für die Weltwirtschaft drohen indes Lieferkettenprobleme und höhere Zinsen in den USA zu werden, mit der die Fed gegen die Inflation vorgeht.

Im Internet kursiert derzeit ein Bild von der verschlossenen Türe eines Supermarktes im US-Bundesstaat Minnesota. Darauf klebt ein Ausdruck, auf dem das Mitarbeiter-Team den verdutzten Kunden erklärt, dass es sich entschlossen habe, kollektiv zu kündigen. Der Lohn reiche einfach nicht aus, um sich und ihre Familien über die Runden zu bringen. Man bedauere die Unannehmlichkeiten. Da das Unternehmen so schnell kein Ersatz finden konnte, blieb der Laden geschlossen.

Das Beispiel zeigt, wie im Alltag der USA die nunmehr ins dritte Jahr gehende Corona-Pandemie mehr und mehr von anderen Themen verdrängt wird. Mehr Sorgen als das Virus machen vielen Amerikanern die seit Monaten rasant steigenden Lebenshaltungskosten. Mieten, Lebensmittel, Strom, Benzin – alles wird spürbar teurer. Dabei stecken die USA wie viele andere Länder inmitten der Omikron-Welle. Laut Zahlen der Johns-Hopkins-University sind nur zwei Drittel der US-Bürger vollständig geimpft, die Behörden erfassen täglich rund 790.000 Neuinfektionen.   

 

Dennoch bleiben die Börsen bislang gelassen angesichts der täglichen Horror-Zahlen. Denn immer mehr Studien kommen zum Schluss, dass Omikron im Vergleich zur Delta-Variante zu weniger schweren Erkrankungen und damit zu einer prozentual geringeren Zahl an Krankenhauseinweisungen führt. An einzelnen Hotspots kommen die Kliniken zwar kurzfristig an ihr Limit. Aber insgesamt entwickeln sich hüben wie drüben des ­Atlantiks die Hospitalisierungsraten von den Inzidenzen weit auseinander. Per Mitte Januar hat sich die Zahl der täglichen Corona-Sterbefälle bei rund 1400 eingependelt.

Lockdown wenig wahrscheinlich

„Dass die weltgrößte Volkswirtschaft noch einmal komplett in den Lockdown gehen wird, erscheint vor diesem Hintergrund sehr unwahrscheinlich“, sagt Thomas Obst, Weltwirtschaftsexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Deutlich mehr als die Pandemie beunruhigt Investoren und Ökonomen derzeit die überschießende Inflation in den USA. Zum Jahreswechsel hat die Preissteigerungsrate die Sieben-Prozent-Marke erreicht – das ist der höchste Stand seit 40 Jahren. Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, hat als Reaktion darauf gleich in der zweiten Januarwoche einen radikalen Schwenk in der bislang lockeren US-Geldpolitik angekündigt. Bis zum März will die Fed ihr Anleihenaufkaufprogramm auf Null zurückfahren und die Zinsen in mehreren kleinen Schritten bis Ende 2022 anheben. Beobachter rechnen damit, dass die Notenbanker mittelfristig einen Korridor von 2,5 bis 3 Prozent anpeilen, um so die Inflation in den Griff zu bekommen. Volkswirte gehen von drei oder vier Zinsschritten noch in diesem Jahr aus.

Offen ist allerdings, ob diese Strategie aufgeht. Denn getrieben werden die Preise von einem weltweiten Nachfrageüberhang nach Rohstoffen und Energien. Wegen der weiterhin gestörten Liefer- und Produktionsketten kann das Angebot damit nicht schritthalten. Viele Vorprodukte, beispielsweise Halbleiter, Bauholz und Papier, sind seit Monaten knapp – und dieser Zustand könnte länger andauern als allgemein angenommen. „China genauso wie viele andere Emerging Markets, die keine wirksamen Impfstoffe haben, werden noch mit stärkeren Beschränkungen rechnen müssen. Das übt weiter Druck auf die Lieferketten aus und lässt vermuten, dass die Entspannung an der Preisfront vielleicht weniger kräftig ausfallen könnte als erhofft“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka.

„Sollte die chinesische Regierung bei ihrer No-Covid-Politik bleiben, besteht daher das Risiko, dass es in den nächsten Monaten vermehrt zu Lockdowns in China kommt, da es unrealistisch erscheint, die Omikron-Variante aus China fernzuhalten“, glaubt auch Klaus-Jürgen Gern, Konjunktur-Experte vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). „Damit verbunden sind dann auch vermehrt Lieferengpässe im internationalen Handel. Zumindest wird die erhoffte Entspannung vermutlich verzögert.

Andauernde Lieferkettenprobleme und steigende Zinsen – das ist der Mix, der im laufenden Jahr die Weltkonjunktur bremsen könnte. Denn wenn sich im Frühjahr wie erhofft die Pandemie abschwächt, werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit viele Volkswirtschaften wie im vergangenen Jahr auch zunächst einmal erholen – und damit den Nachfrageüberhang verschärfen. Vor diesem Hintergrund haben führende Wirtschaftsforschungsinstitute wie IW, IfW und das ifo-Institut ihre Jahresprognose für die Weltwirtschaft vorsorglich bereits leicht nach unten korrigiert.

Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor sind die finanziell kriselnden Immobilienunternehmen in China. Zwar sind deren direkten Verflechtungen mit dem Welthandel gering. Aber eine Pleite des hochverschuldeten Evergrande-Konzerns droht in einer Art Dominoeffekt etliche Mitbewerber mit in die Tiefe zu reißen. „Der Immobiliensektor erwirtschaftet gut ein Viertel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts und war in der Vergangenheit für einen bedeutenden Teil des Wachstums verantwortlich“, erläutert Gern. „Ein Einbruch am Immobilienmarkt könnte somit die schuldenbasierte Expansion der Wirtschaft zum Stillstand bringen. Das würde die Konjunktur auch in der übrigen Welt spürbar dämpfen. Denn China ist nicht nur eine Werkbank der Welt, sondern auch für viele Produzenten im Ausland, nicht zuletzt in Deutschland, ein wichtiger Absatzmarkt.“

Indien könnte überraschen

Gegen dieses Worst-Case-Szenario spricht, dass die staatliche Führung einer drohenden Wirtschaftskrise im eigenen Land nicht tatenlos zusehen wird. „Die chinesische Regierung dürfte alle Hebel in Bewegung setzen, um eine echte Rezession zu verhindern“, ist Gern überzeugt. Und auch Kater rechnet mit einem Einschreiten der Partei: „Wir gehen davon aus, dass die Regierung BIP-Wachstumsraten von deutlich unter fünf Prozent in diesem und im kommenden Jahr nicht tolerieren wird, da ihre Beschäftigungsziele sonst in Gefahr gerieten.“

Die Rolle als treibende Kraft unter den Schwellenländern könnte Indien übernehmen. „Der Subkontinent hat sich wirtschaftlich erholt von der Coronakrise. Sowohl die Investitions-tätigkeit als auch der Konsum entwickeln sich positiv“, beobachtet IW-Mann Obst. „Der Internationale Währungsfonds schätzt sogar, dass Indien 2022 stärker wachsen wird als China – auch, weil es sehr interessant ist für ausländische Direktinvestitionen.“

Der Blick der Konjunkturforscher richtet sich jedoch derzeit vor allem auf die USA. Muss Amerika wirtschaftlich niesen, droht dem Rest der Welt ein Schnupfen, lautet ein Sinnspruch unter Ökonomen. „2022 ist ein Jahr der Weichenstellung in Sachen Fiskal- und Geldpolitik. Ein Großteil der staatlichen Hilfsprogramme läuft per saldo aus und es bleibt abzuwarten, ob der Übergang von einem staatlich induzierten zu einem durch ausreichend hohe private Nachfrage getragenen Wachstum gelingt“, sagt Obst. „Ein Hebel dafür ist der Arbeitsmarkt, der sich schneller als erwartet erholt hat, so dass die privaten Einkommen stützend wirken.“

Das Beispiel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Supermarkts in Minnesota ist kein Einzelfall. Derzeit kündigen viele Beschäftigte ihren Job, um eine besser bezahlte Stelle anzunehmen. „Außerdem haben viele Haushalte in den vergangenen beiden Jahren ihre Ersparnis stark erhöht, sodass von dieser Seite ein gewisser Puffer besteht“, ergänzt Gern vom Kieler IfW.

Unisono begrüßen Ökonomen daher das beherzte Eingreifen der US-Notenbank. „Die Gefahr, dass die Fed damit die Konjunktur abwürgt, sehen wir nicht“, sagt IW-Experte Obst. „Denn erstens hat sie ihre Strategie klar kommuniziert, so dass sich die Wirtschaft darauf einstellen kann und zweitens geht sie in graduellen Schritten vor und leitet damit nunmehr eine Phase der geldpolitischen Normalisierung ein.“ Die internationalen Renten- und Aktienmärkte haben auf die Aussicht, dass die Phase des billigen und reichlich vorhandenen Geldes zu Ende geht, dennoch verschnupft reagiert. Vor allem die Kurse hochbewerteter Wachstumstitel, die bislang keine Gewinne schreiben, sind ins Rutschen gekommen. Als wirklich problematisch sieht Konjunkturforscher Gern den US-Zinsanstieg indes für die Schwellenländer: „Deren Währungen geraten unter Abwertungsdruck, so dass sie ihre Zinsen über das eigentlich konjunkturell gebotene Maß hinaus erhöhen müssen, um den Import von Inflation zu verhindern und einem Kapitalabfluss ins Ausland entgegenzuwirken.“

Störungen bei den Lieferketten auf hohem Niveau

Zu einer behutsamen, aber stetigen geldpolitische Straffung gibt es nach Meinung der Experten keine Alternative. „Das ist der beste Weg, möglichen Volatilitäten an den Finanzmärkten vorzubauen“, sagt Kater. „Aus den USA kann man lernen, dass die Kapitalmärkte eine geldpolitische Restriktion verkraften, wenn sie rechtzeitig und angemessen daherkommt.“ Je weiter die EZB ihre notwendigen Maßnahmen gegen die Inflation verschleppt, desto größere Risiken sieht er für Aktien und Anleihen. „Steigende Zinsen sind überfällig, denn die Wirtschaft ist in ihrer Breite längst nicht mehr in der Notsituation vom Beginn der Pandemie. Der Nachholbedarf ist weiterhin hoch, die Nachfrage ist kräftig, und damit stehen die Chancen gut, dass das realwirtschaftliche Fundament für die Aktienmärkte weiter bestehen bleibt.“

Und was macht die EZB? Kater rechnet mit einer ersten Anhebung des Einlagensatzes erst im zweiten Halbjahr 2023, gefolgt von weiteren Erhöhungen in größeren zeitlichen Abständen. Der Grund: Vorerst besteht hierzulande die Sorge, dass die Mischung aus Lieferkettenproblemen, Corona und hoher Inflation im ersten Quartal Bremsspuren in der Wachstumsdynamik hinterlässt. Diese sollen nicht durch steigende Zinsen verstärkt werden.

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