Sie nutzen aktuell den Internet Explorer. Dieser Webbrowser ist veraltet und entspricht nicht den aktuellen Sicherheitsstandards. Außerdem werden viele aktuelle Designstandards nicht unterstützt.

Für eine sichere und schnelle Nutzung unseres Angebots verwenden Sie bitte einen aktuellen Browser.

16.06.2025

|

5 Min.

„Mobilität, Energie, Klima - alles wird gemessen“

Text:

Es gibt so viele Daten wie noch nie, doch entscheidend ist, sie auch für die Bürgerinnen und Bürger nutzbar zu machen, sagt Professorin Gesa Ziemer. Denn nur so entstehen wirklich intelligente Städte, die ein einfacheres und besseres Leben ermöglichen, so die Direktorin des City Science Labs an der HafenCity Universität Hamburg.

Guten Morgen, Frau Prof. Ziemer, wir erreichen Sie gerade in Nairobi, was machen Sie da?

Wir sind auf einer UN-Habitat-Konferenz, in der es um Leitlinien für Smart Cities geht. Hier entwickeln wir Nachhaltigkeitsstrategien und setzen uns für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Denn einige Länder wollen das Thema von der Agenda nehmen und die Menschen in Smart Cities stärker überwachen. Das wollen wir nicht. Darum dreht sich die Diskussion.

Was genau sind Smart Cities?

Eine Stadt ist smart, wenn sie ihre Daten für das Leben ihrer Bürger gut nutzbar macht. Weltweit haben wir so viele digitalisierte Daten wie noch nie. Mobilität, Energie, Klima, Bildung, Finanzen – alles wird ständig gemessen, und mein Forschungsschwerpunkt liegt genau auf der Schnittstelle zwischen Informatik und Stadtentwicklung. Wir nehmen diese Daten und machen sie für Ex­perten nutzbar, die dann Fragen beantworten können wie: Was ­bedeutet es, an einem bestimmten Ort 1.000 Wohnungen zu bauen? Wer wird dort wohnen, wie viele Schulen werden benötigt und wie muss die Verkehrsanbindung aussehen? Welche Auswirkungen haben Baustellen? In Hamburg wird es beispielsweise im Jahr 2030 so viele Baustellen geben, dass man kaum mehr durch die Stadt kommt. Und da wäre es gut, nicht eine Straße aufzugraben, sie zu schließen und sie nach drei Jahren erneut aufzugraben, weil die Gasleitungsfirma nichts von der Wasserleitungsfirma wusste. Wir haben eine urbane Datenplattform, die nach internationalen Standards funktioniert und die Daten in guter Qualität zugänglich macht. In Hamburg gibt es dazu ein Transparenzgesetz. Das ist nicht überall so.

Welche Branchen sind beim Thema Smart Cities besonders gefragt? 

Die vernetzte Mobilität ist entscheidend. Die Menschen wollen nicht mehr darüber nachdenken, ob sie das Fahrrad, die U-Bahn, den Bus oder das vielleicht autonom fahrende Auto nehmen sollen. Sie wollen einfach alles benutzen, was sie schnell und komfortabel an ihr Ziel bringt. Aber auch die Energiebranche ist gefragt, denn es geht um die Energieeffizienz von Gebäuden und um Netze, die selbstständig regulieren können, wie viel Energie sie benötigen. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig ist die Baubranche. Hier geht es um nachhaltiges Bauen, um Baumaterialien und um Sensorik in Gebäuden. Schließlich haben wir das Gesundheitsthema. Wir sind eine alte, aber vergleichsweise gesunde Gesellschaft, die entsprechende Angebote in der Stadt benötigt.

Wie kann Mobilität in wachsenden Städten trotz steigender Pendlerzahlen effizient und nachhaltig gestaltet werden? 

Zunächst geht es darum, Mobilität zu digitalisieren. In Hamburg werden Sensoren an Ampeln angebracht, um Daten über den Echtzeitverkehr zu sammeln. So sehen wir beispielsweise, welchen Einfluss eine Baustelle auf den Verkehr hat. Im nächsten Schritt müssen sich die Mobilitätsanbieter vernetzen, gemeinsame Zahlungssysteme entwickeln und Apps bereitstellen, die direkt auf dem Handy anzeigen, wie man fährt und was man zahlt. Dies geschieht bereits und wird weiter ausgebaut. 

Sie erwähnten das autonome Fahren, wann spielt es beim privaten Auto wirklich eine Rolle?

Die Fahrzeuge sind inzwischen so gut, dass sie in Städten eingesetzt werden können. So hat San Francisco die Google-Tochter Waymo und ihre autonomen Fahrzeuge im vergangenen Jahr zugelassen. Und das funktioniert gut. Das wird auch hier kommen. Erst werden wir den Verkehr auf Schienen automatisieren, dann auch einzelne Vehikel wie beispielsweise Shuttlebusse oder die Carsharing-Autos von MOIA, die schon 2026 als Testversion in Hamburg autonom fahren sollen. 

Was sind für Sie die smartesten Städte der Welt?

In Singapur ist der öffentliche Verkehr top. Helsinki ist sehr transparent und bürgernah. Mich persönlich interessiert Mexiko-Stadt. Dort gibt es einen hohen Anteil informeller Siedlungen, also Slums. Und mitten darin hat die Stadtverwaltung sogenannte Utopias gebaut: freundliche Bürgerzentren mit Kinderprogramm, Sport- und Schwimmmöglichkeit. Dabei sind die Slums gigantisch: Im Stadtteil Iztapalapa leben beispielsweise fast zwei Millionen Menschen. Darüber schwebt eine Seilbahn, die die Leute zur Arbeit transportiert. Mich fasziniert, wie man unter widrigen Umständen mit solchen Interventionen einen großen Effekt erzeugen kann.  

Gibt es aus Ihrer Sicht deutliche Unterschiede in der Stadtentwicklung zwischen Industrie- und Schwellen­ländern?

Wohnen ist das große Thema sowohl im Globalen Süden, wo man oft kein Dach über dem Kopf hat, als auch im Globalen Norden, wo es zu teuer ist. Wir haben aber ganz andere Ressourcen und können viel besser steuern. Dagegen herrscht in den informellen Siedlungen, die wir Slums oder Favelas nennen, viel Korruption, aber es gibt eben auch viel Kreativität. Die Menschen sind jung und technisch begeistert und sie sichern ihr Überleben oft mit unkonventionellen Lösungen. Davon können wir lernen. 

Sind denn die großen Städte des Globalen Südens überhaupt noch beherrschbar? 

Eher nicht. Ein Beispiel ist Lagos in Nigeria, das die größte Stadt der Welt werden könnte. Bis zum Jahr 2100 könnten es 80 Millionen Einwohner sein – fast so viele, wie Deutschland hat. Die ­Städte zerfallen in viele verschiedene Bereiche mit großer sozialer Ungleichheit. Die informelle Ökonomie ist dort überall zu finden, egal, ob sie ihr Auto reparieren lassen oder essen gehen. Die Kreativität ist aber auch enorm hoch, die Mode-, Literatur- und Musikbranche boomt. Eigentlich müsste man aber viel stärker in ländliche Strukturen investieren, damit die Menschen weniger in die Städte strömen. 

Spielen auch in diesen Ländern Themen wie Remote Work und Homeoffice eine Rolle bei der Stadtentwicklung?

Die Auswirkungen von Remote Work sind weltweit spürbar. Aber ich erlebe gerade im Süden, wie unabhängiges Arbeiten viele Menschen lost macht. Ich habe gestern hier in Nairobi zwei Programmierer getroffen, die eine super Arbeit machen, aber komplett ohne Infrastruktur wie Büro oder Kantine. Das macht schon einsam, und sie organisieren sich dann selbst Hackathons, um andere Leute zu treffen. Was wir als Flexibilität positiv beurteilen, kann in anderen Ländern auch schnell als Einsamkeit empfunden werden.

Welche Rolle spielt der demografische Wandel für die Stadtentwicklung – etwa in Deutschland im Vergleich zu China?

Alternde Gesellschaften sind konsumstark und wollen bedient werden. Die Hamburger HafenCity hat beispielsweise viele ältere Menschen angezogen, die noch einmal urban leben wollen – und sich das leisten können. In China geht es noch stärker darum, Stadtentwicklung top-down zu automatisieren, Bürgerbeteiligung gibt es wenig. Man muss immer schauen, ob Technologie auch für die ältere Generation zugänglich ist. Bei uns bezahlen ältere Menschen beispielsweise gerne noch bar, das wird es aber bald nicht mehr geben. Sich anzumelden, abzumelden, Kinder in der Schule anzumelden, sein Auto anzumelden. Von der Wiege bis zur Bahre wird digitalisiert: Heiraten, Immobilien kaufen – alles geht digital.

Welche Rolle spielen soziale Integration und die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen im urbanen Raum? 

Das ist im Globalen Süden ein Riesenthema, aber auch für uns wichtig: Wir sind eine Einwanderungsgesellschaft. Wir müssen aufpassen, dass sich keine isolierten Communitys bilden, in denen eine andere Sprache gesprochen wird. Inklusion ist wichtig, und der Schlüssel zur Inklusion ist Arbeit. Es dauert zu lange, bis Einwanderer in Deutschland Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Für die soziale Integration sind öffentliche Räume wichtig, in denen man sich aufhalten kann, ohne etwas zahlen zu müssen. Zwischen sozialer Spaltung und dem Fehlen öffentlicher Räume besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Der Marktplatz schafft Verständnis. Städte wirken gespenstisch, wenn es keinen öffentlichen Raum gibt. Kopenhagen ist da ­vorbildlich: Man fährt Fahrrad und sitzt gemeinsam am Wasser. Demokratische Städte haben fast immer auch belebte öffentliche Räume.

Titelfoto: Marcelo Hernandez/FUNKE Foto Services

Zur Person

Gesa Ziemer ist Professorin für Digitale Urbane Kulturen und Direktorin des City Science Lab an der HafenCity Universität Hamburg, das mit dem MIT Media Lab kooperiert. Sie leitet zudem das UN-Innovations- und Technologielabor UNITAC, das weltweit Technologien für informelle Siedlungen erforscht. Ihre Forschungsschwerpunkte sind digitale Stadtentwicklung, neue Formen der Zusammenarbeit und urbane Öffentlichkeiten. Ziemer war Vizepräsidentin für Forschung an der HCU, ist Humboldt-Stipendiatin und engagiert sich in zahlreichen wissenschaftlichen Gremien und als Gutachterin.

Artikel, die mit Namen oder Signets des Verfassers gekennzeichnet sind stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann die Redaktion für die Richtigkeit des Inhalts keine Haftung übernehmen. Die Angaben dienen der Information und sind keine Aufforderungen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren.
Umfassende Informationen zu Kosten sind in den Kosteninformationen nach WpHG oder bei den Kundenberatern und Kundenberaterinnen erhältlich.

Allein verbindliche Grundlage für den Erwerb von Deka Investmentfonds sind die jeweiligen PRIIP-KIDs (Basisinformationsblätter), die jeweiligen Verkaufsprospekte und die jeweiligen Berichte, die in deutscher Sprache bei den Sparkassen oder der DekaBank Deutsche Girozentrale, 60625 Frankfurt am Main und unter www.deka.de erhältlich sind. Eine Zusammenfassung der Anlegerrechte in deutscher Sprache inklusive weiterer Informationen zu Instrumenten der kollektiven Rechtsdurchsetzung ist unter www.deka.de/privatkunden/kontaktdaten/kundenbeschwerdemanagement verfügbar. Die Verwaltungsgesellschaft des Investmentfonds kann jederzeit beschließen, den Vertrieb zu widerrufen.

Herausgeber: DekaBank, Große Gallusstraße 14, 60315 Frankfurt am Main, www.dekabank.de

Chefredakteur: Olivier Löffler (V. i. S. d. P.)

Projektleitung: Gerhardt Binder

Verlag: S-Markt & Mehrwert GmbH & Co. KG. - Ein Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe, Grenzstraße 21, 06112 Halle, www.deka.de/fondsmagazin, E-Mail: fondsmagazin@deka.de, Fax: +49 345560-6230 

Postanschrift: fondsmagazin Leserservice, Grenzstraße 21, 06112 Halle

Redaktion: Matthias Grätz, Susanne Hoffmann, Sarah Lohmann, Thomas Luther, Michael Merklinger, Peter Weißenberg 

Grafik/Infografiken: KD1 Designagentur, Köln

Sie möchten uns schreiben? Schicken Sie Ihre Anregungen, Ideen und natürlich auch Kritik einfach per E-Mail an fondsmagazin@deka.de.